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Auf ein Neues!

Auf ein Neues!
19. Januar 2025

Inzwischen ist der erste Monat des Jahres schon fast herum. Neujahr ist der Tag der guten Vorsätze. Die meisten davon landen allerdings nach einer Woche im Müll, andere lassen sich nur wenige Monate durchhalten. Zu viel macht zu viel Druck. Ich habe natürlich auch darüber nachgedacht, Silvester ist eben ein Datum, an dem nicht nur geböllert wird, sondern auch Bilanz gezogen werden kann. Was plane ich für das nächste Jahr, was wünsche ich mir, was wäre Glück, aber eher unwahrscheinlich. Feiertage sind wenig geeignet, um realistisch zu bleiben, aber einen Versuch ist es wert.

Ich habe mir für das neue Jahr vorgenommen, jeden Tag eine Seite zu schreiben. Es gibt zahlreiche Ratgeber, die einem ausrechnen (oder auch nur dokumentieren), dass, wer jeden Tag eine Seite füllt, am Jahresende ein Buch geschrieben haben wird. Das klingt auf den ersten Blick verlockend. Für diejenigen, die noch nie ein Buch geschrieben haben. Denn das Rohmaterial, und mehr kann ein erster Entwurf bei mir nicht sein, muss noch unzählige Male verändert und verbessert werden. Also besser ein Anfang. Die Idee schwirrte schon seit einiger Zeit in meinem Kopf und gemeinsam mit der Lust auf Neues fiel es mir nicht schwer, zu beginnen.

In den vergangenen Jahren hat sich bei meinem Schreiben herauskristallisiert, dass eine Geschichte erst zu einem Roman werden wird, wenn ich über die ersten sechzig Seiten hinausgekommen bin. Das ist meine persönliche Achillesferse. Bin ich bei einhundert Seiten angekommen und habe immer noch viele Ideen für die folgenden Kapitel im Kopf, kann es gelingen. Andernfalls taugen die sechzig Seiten vielleicht zu einem anderen Zeitpunkt dafür, daraus eine Kurzgeschichte zu formen. Der Rest bleibt Fingerübung. Das ist ja auch wichtig.

Jeden Tag eine Seite also. Aber nicht das gesamte Jahr hindurch. Zu viel macht zu viel Druck. Ich habe mir einhundert Seiten vorgenommen – damit lande ich, wenn es klappt, am 10. April, das ist noch eine Woche vor dem Osterfest. Sollte zu schaffen sein. Dann werde ich wissen, ob das Projekt gedeihen kann. Ich kann entweder „verlängern“ oder ohne Gewissensbisse mit der Überarbeitung beginnen. Bisher funktioniert das sehr gut, ich habe ein paar Seiten Vorlauf. Ein guter Start in ein neues Jahr.

Weihnachtsruhe

Weihnachtsruhe
27. November 2024

Es ist erst in vier Wochen soweit, besser gesagt, ist Weihnachten dann schon vorbei. Meine Ruhe vermutlich auch.
Noch hängt draußen der trübe November vor dem Fenster und lässt mich erst mittags aus der Wohnung (und vom stehenden und sitzenden Schreiben). Gehen, atmen, nachdenken. Die Hörbücher müssen gerade warten, ebenso wie die „echten“ Bücher, mein Kopf ist gefüllt, es dauert, ehe ich dort Platz für neue Texte finde. Dann ist es meistens schon wieder morgens.
Die permanente Konzentration ist kräftezehrend. Essen, Trinken, Laufen – alles findet statt, aber gefühlt ohne Beteiligung des Kopfes. Mund, Nase, Hände, Füße funktionieren wie bei einer Maschine, der Kopf aber will ständig etwas anderes und damit Hände und Füße beschäftigen. Ein Teufelskreis, der euphorisiert aber auch mega-anstrengend ist.

Ab dem Wochenende wird sich das ändern. Alles, was ich schaffen wollte, ist geschafft, jetzt schon, ich kann langsam austrudeln, im Hier und Jetzt ankommen, mich auf Plätzchen und Kerzen konzentrieren. Darauf, dass die Sonne es tatsächlich schafft, durch die dicken Wolken zu dringen. Noch wird es jeden Tag später hell und früher dunkel, aber auch der Kipppunkt ist schon bald erreicht und bis dahin werde ich endlich die Bücher lesen, die sich angesammelt haben, Briefe schreiben statt Geschichten, weniger strukturiert, aber herzlich. Ich werde mit den fremden Geschichten im Kopfhörer den Reihern, Enten und Schwänen zusehen und einfach nur laufen.
Mein Ruhemonat Dezember. Für die Familie und zum Backen. Damit mein Kopf sich erholt (hoffentlich) und ich insgesamt neue Kraft schöpfen kann für all die Dinge, die ich noch machen möchte. Nach Weihnachten.

Öfter etwas Neues wagen

Öfter etwas Neues wagen
04. November 2024

Wie oft denken Autorinnen darüber nach, das Genre zu wechseln?
Krimi statt Fantasy, Haiku statt Poem oder: Drehbücher für Filme oder Stücke fürs Theater statt epischem Roman. Weshalb nicht ein Computerspiel entwickeln? Jenseits der technischen Umsetzung selbstverständlich, oder ein Kinderbuch schreiben? Ebenfalls selbstverständlich ohne Illustration. Oder – vielleicht – mit Strichmännchen. Neben den klassischen Rubriken Epik, Dramatik, Lyrik und den neueren: Kurzgeschichte, Sachbuch oder Biografie gibt es schier unendlich viele Möglichkeiten.
Journalistisches Schreiben, ein Hörspiel verfassen, einen Fantasy-, Scienes-Fiction- oder Mittelalter-Roman, ein Liederbuch. Einen Satz auf zweihundert Seiten ausdehnen oder in Meister-Yoda-Sprache experimentieren.

Das Ausprobieren wird für die meisten, wie bei mir, in der Anfangszeit stattfinden/stattgefunden haben. Ich wollte mich schriftlich ausdrücken und suchte dafür die entsprechende Form. Eine, die zu mir passte, zu meinem Zeitreservoir, meiner Tippgeschwindigkeit, meinem Anliegen, meinen Vorlieben.
In den ersten Jahren habe ich kurze und längere Texte formuliert, Lyrik von vier Zeilen bis seitenlang, mich an Drehbüchern versucht und Hörspielen, an Kinderbüchern und Märchen für Erwachsene.
Heute brauche ich, um eine gute Kurzgeschichte zu schreiben, zuerst einen längeren Entwurf, den ich dann so lange überarbeite und zusammenstreiche, bis die Essenz als gelungene Kurzprosa bezeichnet werden kann. Wobei mir dann immer noch zu viele Figuren im Text herumstehen. Oder Nebenschauplätze wegen der Kürze nicht mehr wichtig werden können. Das ist sehr anstrengend für mich, ich verzweifle oft genug daran und gebe Kurzes wieder auf.
Geschichten, die sich ausbreiten dürfen, liegen mir offensichtlich mehr. Gekürzt und überarbeitet werden auch sie, aber von vierhundert Seiten fünfzig zu streichen, erscheint mir eher möglich als von drei Seiten eine halbe, und zwar jenseits der Mathematik.

Von einigen Genres habe ich mich innerlich verabschiedet. Ich tauge ja nicht einmal dazu, für runde Geburtstage Reime zu schmieden, weil sich in mir alles gegen unsaubere Enden und holprige Rhythmen sträubt, ebenso wie gegen Klischees, weshalb ich auch kein Buch im Bereich Romance zustande bringen würde. Trotzdem möchte ich dann und wann etwas ausprobieren. Eben doch eine Kurzgeschichte oder ein kleines Gedicht. Ein Kinderbuch mit Strichmännchen oder einen Songtext. Damit das Schreiben mir weiterhin vor allem Spaß macht. Anstrengend wird es dann von ganz allein.

Romanwerkstatt 2023

Romanwerkstatt 2023
25. Januar 2023

Die Romanwerkstatt hat begonnen. Jeden Tag sitze ich am frühen Morgen und schreibe. Ein wunderbares Gefühl! Und ergiebiger als zu anderen Tageszeiten. Später prasseln die Emails, die Anrufe, der ganz normale Alltag in die Stunden und ich bin zufrieden, schon etwas zu Papier gebracht zu haben.

Die Milchmädchenrechnung schießt immer wieder in meinen Kopf, dabei ist es eben nur ein sehr naiver Überschlag: bei einer Seite täglich habe ich in 365 Tagen ein Buch geschrieben. Klingt zu schön, um wahr zu sein, ist auch vollkommen unrealistisch. Nicht die eine Seite, die überbiete ich gern und oft, aber das Aufschreiben ist nur ein Teil der Arbeit. Der schönste, das auf jeden Fall. Zu überarbeiten ist anstrengender, als die Worte fließen zu lassen. Ich bin gefordert, Strukturen zu entwickeln und vor allem nachher auch einzuhalten, einen Spannungsbogen ernst zu nehmen. All die überflüssigen Füllwörter zu tilgen, wird der Abschluss werden. Aber noch bin ich ganz am Anfang. Der Text wächst, ich weiß noch nicht ganz genau, wohin die Reise gehen wird. Das mag ich, das hilft mir, engt meine Gedanken nicht ein.

Wenn ich am späteren Tag laufe, denke ich über das Geschriebene nach, formuliere neue Sätze, die ich mir nicht merken werde, aber das ist unwichtig. Das Gefühl, dass es weitergehen kann, beflügelt mich. Dass ich erfahrene und wohlgesinnte Autorinnen an meiner Seite weiß, bestärkt mich darin, zu experimentieren, dass ich ihnen etwas zurückgebe, weil ich mich auf ihre Texte einlasse, rundet die Romanwerkstatt für mich ab.

Es wird in den nächsten 340 Tagen nicht so weitergehen, leider, denke ich, aber das Leben schreibt eigene Gesetze. Es bleibt ein guter Start. Und was ich daraus machen werde, ist meine Entscheidung.

Weihnachten

Weihnachten
7. Dezember 2022

Im Dezember habe ich noch nie viel geschrieben. Für diesen Monat nehme ich auch kein Stipendium an – bzw. bewerbe ich mich nicht. Die Weihnachtswochen gehören der Familie – und dem Plätzchen backen.

Das war in diesem Jahr eine besondere Herausforderung. Bis zum letzten Dezember hatte ich es mir vergleichsweise leicht gemacht und fertigen Plätzchenteig beim Bäcker gekauft. Zu Hause hieß es dann nur noch: ausrollen, ausstechen, backen, verzieren. Einpacken, verschicken, oder selbst essen.

Im letzten November, als an die Preissteigerungen dieses Jahres noch nicht zu denken gewesen war, gab es gleich zwei. Innerhalb von zehn Tagen. Ich wollte ein Kilogramm nachkaufen und stand sprachlos vor der Verkäuferin. Mein Entschluss war gefasst: dort kaufe ich zukünftig nicht mehr ein. Inzwischen kostet der Teig vermutlich das Doppelte, ich habe nicht nachgefragt. Die Filiale ist geschlossen worden (nicht wegen mir), aber das Haus steht noch, und jedes Mal, wenn ich daran vorbeilaufe, denke ich an den Teig. Daran, wie viele Jahre (Jahrzehnte!) ich dem Bäcker die Treue gehalten habe, daran, wie ungerecht behandelt ich mich nun fühle. Vom Preisanstieg und von der Schließung.

Das Internet musste durchforstet werden, alte Backbücher wurden gewälzt, Zutaten gekauft (auch das eine Herausforderung). Ich sammelte Rezepte und probierte. Manchmal ließ sich der Teig nicht ausstechen, sondern nur mit einem Spatel auf dem Blech verteilen, manchmal gingen die Herzen so sehr auf, dass ich beim Zugucken schon ahnte, wie trocken sie nachher werden würden, manchmal musste ich Natron und Hirschhornsalz in separaten Schälchen auflösen und stand vor vier oder fünf Schüsseln, nur für eine Sorte Lebkuchen. Glücklicherweise gibt es viele Menschen, die selbstgebackene Plätzchen zu schätzen wissen und den Geschmack loben, wahrscheinlich einfach, weil es selbstgebackene Plätzchen sind. Neben einem Vierzig-Stunden-Brotjob könnte ich das auch nicht schaffen, die Selbständigkeit hat eben gute Seiten.

Inzwischen haben sich einige Rezepte herauskristallisiert, die mir zusagen (und nur das lasse ich gelten), andere landeten im Papierkorb. Schade um Blätter und Druckertinte.

Die Vorarbeit ist geleistet. Im nächsten Jahr wird es einfacher werden. Schmackhafter hoffentlich auch.

Und ganz nebenbei habe ich sogar noch einen kleinen Text fabriziert. Frohe Weihnachten!

Inspiration

Inspiration
25. November 2022

Der Alltag bremste mich aus, wie eben meistens, wenn ich zu Hause war. Ich hatte Lust zu schreiben, hunderte von Ideen im Kopf, etliches notiert, ich konsumierte Bücher wie andere Kaffee oder Rotwein. Ich wollte schreiben, ich nahm mir die Zeit dafür, aber ich konnte mich nicht entscheiden, an welchen Text ich mich setzen sollte.

Ein neues Projekt soll vom kommenden Januar an in der Romanwerkstatt behandelt werden. Ich könnte bis dahin viel Text produzieren, aber ich möchte es hinausschieben bis zum ersten Gruppentreffen, das Konzept ist noch vage und ich freue mich auf die Anregungen der anderen. Zu einem schon lange auf Überarbeitung wartenden empfinde ich noch immer zu wenig Abstand, außerdem verlangt das Manuskript eine intensive Beschäftigung über mindestens zwei oder drei Wochen, und so viel Zeit bleibt dann doch nicht.

Also blätterte ich online durch die aktuellen Ausschreibungen.

Vor Jahren habe ich mich regelmäßig um Wettbewerbe gekümmert, schrieb dafür oder schrieb Vorhandenes um – ich brauchte Veröffentlichungen für meine Vita, für Bewerbungen, Verlage. Ich erreichte selten das Finale, was nicht zuletzt daran liegen mag, dass mir Kurzgeschichten nicht so liegen. Ich fürchte jedes Mal, die Figuren, für die ich keine langen Geschichten erfinden kann, würden hölzern, oder ich würde abschweifen, weil ich das gern tue. Und in längeren Texten auch darf.

Dieses Mal – vielleicht sogar, weil ich diesen Blog begonnen habe und mich seit einiger Zeit darauf konzentriere, kurze Texte zu verfassen – sprachen mich gleich mehrere Ausschreibungen an. Dazu war meine Erwartungshaltung eine vollkommen neue. Ich erwartete gar nichts. Von den Juroren. Von mir schon: Freude am Formulieren.

Preise würde ich selbstverständlich trotzdem gern annehmen. Aber ohne diesen Druck zu schreiben, etwas für die Vita zu produzieren, befreite mich. Die Ideen sprudelten, die Sätze flossen, ich kam mit dem Tippen kaum hinterher.

Das werde ich demnächst öfter probieren. Zumal ich aus Erfahrung weiß, dass mit dem Abschluss einer Kurzgeschichte das Nachdenken über die Figuren, die Orte und das Erlebte erst beginnt. Und einfließen kann in längere Texte.

Schreiben zu Hause

Schreiben zu Hause
8. November 2022

Mein großes Glück mit Stipendien in Künstlerhäusern schlug sich in intensiver Schreibarbeit während der Aufenthalte nieder – und darin, zu Hause nur selten soviel Text zu produzieren.

Zuhause zu sein bedeutete Familie, Alltag. Ablenkungen und Unterbrechungen. Ob durch den Briefträger, der irgendwann mitbekommen hatte, das ich fast immer zu Hause war (bis mein Mann einen An-Aus-Schalter an das Haustelefon montierte), durch Bekannte, die mich anriefen oder penetrant agierende Werbe- und Umfragefirmen (bis ich entdeckte, dass ich auch das Festnetztelefon „stumm“ schalten konnte), durch die ganz normale Hausarbeit, die nie endet und zum Verschieben des Schreibens geradezu einlud. War ich unterwegs, schrieb ich permanent, ob nun im Kopf oder im Heft, auf dem Laptop, war ich zu Hause, kochte, buk oder putzte ich so lange, bis ich unzufrieden wurde. Manchmal dauerte es nur Tage, manchmal Wochen, aber der Drang, etwas Literarisches zu Papier zu bringen, kam. Darauf konnte ich mich verlassen.

Das Zuhausebleiben-Müssen änderte das. Ich konnte oder wollte nicht verreisen, schrieb keine Bewerbungen, verkroch mich. Nach den ersten Wochen und sogar Monaten, in denen ich stundenlang auf steigende Kurven und Zahlen gestarrt hatte, unfähig, mich überhaupt auf den Alltag konzentrieren zu können, fuhr ich im Auto in eine Nachbarstadt. Wie wunderschön der Himmel war, die Wiesen, die Waldgrenzen, die Vögel und das blaue Flussband! Die Welt war noch da, schöner als in der Erinnerung. Schöner als erwartet. Ich begann mit kleinen Texten, die Kurven oder Zahlen nicht einmal streiften. Mir fehlten die wöchentlichen Begegnungen, das Schauen und Beobachten von Menschen, das unweigerlich in meine Texte eingeflossen war, jahrelang. Aber ich hatte mehr abgespeichert als vermutet. Ich war nun einmal zu Hause, daran würde sich so schnell nichts ändern, und ohne zu schreiben konnte ich auch nicht sein. Ich räumte meine Schreibtische auf und um und setzte mich zwischendurch mit dem Laptop auf das große Bett. Ich schrieb. Es gab Online-Seminare, ich sollte und wollte neuen Text produzieren, mein begonnenes Projekt fortsetzen. In jenem ersten Sommer schrieb ich mehr als je zuvor. Der Austausch beflügelte mich, und irgendwann glaubte ich tatsächlich daran, überall schreiben zu können. Nicht nur in der Bahn oder im Flugzeug oder in Künstlerhäusern, sondern auch am See, auf einer Bank und eben zu Hause. Es war eine wunderbare Erfahrung.

Nun war ich von einem Aufenthalt zurückgekehrt und es begann wie immer. Ich räumte und buk und kochte und kämpfte gegen den Staub, der vier Wochen lang Zeit gehabt hatte, sich in allen Ritzen breitzumachen. Ich sortierte Fotos, kümmerte mich um Weihnachtsgeschenke, besuchte eine Lesung meiner Freundin. Und schon war sie wieder geweckt, die Freude am Schreiben. Zu Hause. Etwas anderes ist erst einmal nicht geplant und auch nicht in Sicht, es gibt sie immer noch, die Zahlen und Kurven. Sie ängstigen mich, aber sie blockieren mich nicht mehr. Während des langen Sommers in der Großstadt und der vier Wochen in Norditalien konnte ich schauen und beobachten und sammeln. Daraus kann ich jetzt schöpfen und ich freue mich darauf.

Schreibblockade

Schreibblockade
8. November 2022

Es ist das Damoklesschwert, das über uns hängt, über all jenen, die Worte zu Papier bringen wollen. Ich hatte bisher sehr großes Glück. Es gab nur einen Fall, der mich nicht nur lähmte, sondern zu zerschmettern drohte, und der geschah ausgerechnet in einem Weiterbildungsseminar, das mir helfen sollte. Ich war mit einem Textauszug angetreten zu meinem zweiten Romanprojekt, das schließlich als erstes veröffentlicht werden sollte, und die Dozenten waren sich einig: So geht das nicht. Das wird nichts.

Ich hatte gespürt, dass etwas nicht stimmte im Text, konnte es jedoch nicht benennen. Deshalb war ich schließlich in die Werkstatt gefahren. Ich hatte auf konstruktive Kritik gehofft und ein paar Ratschläge, die mir weiterhelfen würden. Stattdessen gab es die niederschmetternde Aussage, gepaart mit dem Satz: Fang eine andere Geschichte an.

Nein, wollte ich nicht. Ich wollte genau diese Geschichte erzählen.

Ich fuhr sehr entmutigt zurück und ich gab mir wirklich alle Mühe, weiterzuschreiben. Es funktionierte nicht. Nicht ein Satz wollte mir gelingen, ich dachte und fürchtete, nie wieder etwas „Ordentliches“ zu Papier bringen zu können. Ich dachte ernsthaft darüber nach, das alles zu lassen, stattdessen Stricken zu lernen oder eine Fremdsprache.

Die Gruppe der Teilnehmerinnen holte mich aus dem Loch. Wir waren nicht zufällig in diesem Kurs gewesen, aber die Zusammensetzung hatte ich schließlich nicht geplant, ich kannte nur zwei oder drei aus vorherigen Seminaren, eigentlich eher ihre Texte als sie selbst. Sie fragten mich in Emails: Wie kommst du klar, hast du weitergeschrieben, du kannst mir gern etwas schicken.

Ich schickte meine Verzweiflung hinaus in die Welt. Und erhielt Mut zurück. Das war meine Rettung.

Ich änderte die Perspektive, setzte irgendwo mitten im Manuskript an, verfasste die Szene neu und sandte sie herum. Der Knoten hatte sich gelöst, ich nahm die Anregungen und Hinweise an und schrieb weiter, bis der gesamte Text neu geschrieben war und tatsächlich irgendwann eine Lektorin so überzeugte, dass sie unbedingt ein Buch daraus machen wollte: mein Debut.

Allein wäre ich verzweifelt und wer weiß, ob meine gestrickten Handschuhe jemanden so hätten erfreuen können, wie es mein erster Roman bis heute tut. Dankeschön.

Motivation

Motivation
19. Oktober 2022

Mein Bedürfnis, Geschichten zu formulieren, erwachte erst spät. Ich schrieb zwar als Jugendliche wie viele in meinem Alter und in allen Generationen, aber erst, als ich andere teilhaben lassen wollte an Erlebtem, das ich aufschreiben musste, um mich selbst damit auseinanderzusetzen, probte ich literarische Formen. Ich hatte einen phantastischen Deutschlehrer, der mich unterstützte, auf Unstimmigkeiten oder Kitschiges hinwies. Aber die Schule war irgendwann beendet und es folgte – nichts. Oder doch. Das Leben. Studium, Familie, Trennung, neues Studium. Dann brach die Welt, in die ich hineingeboren worden war, zusammen. Alles, was bis dahin wichtig gewesen war, wurde an den Pranger gestellt, abgeschafft, verbuddelt.

Ich musste dem etwas entgegensetzen. Ich konnte mich nur schreibend damit auseinandersetzen, und ich wollte keine Pamphlets. Ich verfasste kleine Geschichten für meinen Sohn, in denen Freundschaft und Solidarität, Akzeptanz und Liebe eine Rolle spielten, die wichtiger war als all das neue Glitzerzeug um mich herum.

Ich schrieb kurze Texte, in denen ich mich erinnerte: an meine Herkunftsfamilie, an Dorfstrukturen, an die neuen Kreuze neben den Fahrbahnen.

Schon damals wollte ich vor allem etwas bewahren. Aufheben im doppelten Sinn. Wörter, Empfindungen, Bilder, Gerüche. Mein Leben und das etlicher anderer aus diesem kleinen Siebzehn-Millionen-Einwohner-Staat. Ich wollte nicht „wir“ sagen, es sollten meine Geschichten bleiben, aber sie sollten möglichst viele Menschen dazu bewegen, über ihre eigenen Wege nachzudenken und sich zu erinnern.

Ich fand eine Autorengruppe in der Nachbarstadt, die meine ersten Versuche begleitete. Wenige übten konstruktive Kritik, viele wohlwollende, aber es war ein Anfang.

Es folgten schmerzhafte private Erlebnisse und viel Alltag, ich schrieb weiter. Bewarb mich um Aufenthalte in Künstlerhäusern, schickte stapelweise Manuskripte, die ich für gelungen hielt, an die großen Verlagshäuser. Ich sammelte Ablehnungen wie andere Briefmarken. Besuchte Kurse, lernte, schrieb.

Der Erfolg stellte sich ein. Mein Traum von einem ersten veröffentlichten Buch erfüllte sich.

Seit meinen ersten literarischen Versuchen sind mehr als zwanzig Jahre vergangen. Die Zeit meiner Kindheit, meines Erwachsenwerdens, taucht in vielen Büchern bekannter Autorinnen auf, so vielfältig, wie die Welt damals war. Ich schreibe immer noch darüber, auch, wenn ich Ausflüge in die Jahrzehnte davor oder in die nähere Vergangenheit unternehme. Es spielt immer eine Rolle, woher ich komme. Wahrscheinlich auch für jede Autorin, die jenseits des berüchtigten Zauns aufgewachsen ist, nur hat er oder sie nie um die Anerkennung der gesellschaftlichen Lebensumstände kämpfen müssen.

Regentag

Regentag
9. Oktober 2022

Der Herbst hält auch hier Einzug. Nicht nur die bunten Blätter künden davon, die unzähligen Kastanien auf den Wegen, die feilgebotenen Esskastanien und die schrumpelnden Weintrauben. Ein Regentag. Ich hatte es ein wenig gewünscht, ich brauchte mal eine Pause, eine Laufpause, eine Mußestunde, in der mein Kopf das auskippen kann, was sich in den letzten Tagen angesammelt hat.

Hinter den Wolken sind die Berge versteckt. Weiße Wolken, etliche sind inzwischen bis zu den Baukränen gesunken, einzelne Streifen ziehen auf halber Höhe ihre Bahn, schweben, bewegen sich kaum. Aber jedesmal, wenn ich aufschaue, hängen sie an einer anderen Stelle, nur den Kirchturm (den einen, es gibt sehr viele) werden sie heute nicht mehr erreichen.

Während sich die Touristen wahrscheinlich grämen, bin ich dankbar für diesen Tag. Drei Reihen Bücher warten darauf, wenigstens einmal in die Hand genommen zu werden (die mitgebrachten kann ich schließlich einfach wieder einpacken), die zahlreichen Landkarten wollen sortiert werden, eine Mittagspause wäre auch mal schön.

Mein Kopf ist noch lange nicht leer, ich kann schreiben und verwerfen und neu formulieren ohne den selbst produzierten Druck, neue Wege erkunden zu wollen, und außerdem klart es langsam auf.

Es bleibt Zeit für beides: zum Schreiben und zum Laufen. Ich bin froh, keiner der Touristen zu sein, die morgen abreisen müssen, obwohl auch mein Aufenthalt begrenzt ist.

„Sie bleiben das ganze Jahr?“, fragte ein Mann am Bus. Leider, nein. Obwohl. Diese Auszeit ist deshalb so inspirierend, weil es eine Ausnahme ist. So, wie dieser willkommene Regentag vermutlich eine Ausnahme bleiben wird – jedenfalls, solange ich hier bin.