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Unter Schriftstellerinnen

Unter Schriftstellerinnen
23. März 2023

Das verlängerte Weiterbildungswochenende hat Tradition, länger, als ich sie bisher nutzen konnte und durfte. Jeweils in der Vorwoche der Leipziger Buchmesse. Früher jedenfalls, die letzten Jahre haben das ein wenig durcheinander gewürfelt. Im kommenden Jahr wird es hoffentlich wieder so sein, in diesem liegen zwischen der Weiterbildung des Verbandes und der LBM fast sechs Wochen.

Es gibt jeweils ein Thema, dem sich die Vorträge, Workshops und Lesungen widmen, in diesem Jahr war es die Oder. Passend zum Thema der Literaturzeitschrift, die gerade geplant wird. Schon zuvor fühlten wir uns recht sicher, ausreichend Texte für eine erste Ausgabe akquirieren zu können – nach diesem Wochenende fürchten wir, dass die Zeitung aus allen Nähten platzen wird. Da sind die gelungenen Texte aus der Werkstatt, der besondere Vortrag einer polnischen Germanistikprofessorin, ihre eigene Geschichte. Hinzu kommen zwei engagierte Autorinnen und Interviewer, die pointierte Geschichten sammeln und veröffentlichen. Ich hatte mich auf den Austausch, auf das Wiedersehen sehr gefreut, meistens sitzt man und frau ja doch allein zu Hause. Das Ergebnis dessen, was geboten wurde und was mich tief beeindruckte, ahnte ich keineswegs. Umso erfüllter fuhr ich zurück. Im Gepäck nicht nur interessante Gespräche mit Kolleginnen, sondern viele neue Begegnungen und eine Fülle an Ideen. Die Nächte waren zu kurz, nicht wegen der kurzen Abstecher in die kleine Kneipe am Abend, sondern, weil mein Kopf Mühe hatte, alles zu verarbeiten. Schon vor um vier Uhr früh sangen die Amseln, ein Morgenspaziergang am See erfrischte auch ohne dazugehöriges Bad, die Kaffeemaschine oder doch eher die ausgewählten Getränke bildeten das Sahnehäubchen. Ein rundum gut organisiertes und erfolgreiches Wochenende wird nachwirken und den Alltag farbenfroh gestalten, wie es die riesige Fläche mit blühenden Krokussen vor dem kleinen Haus auf dem Hinweg prophezeite.

Romanwerkstatt 2023

Romanwerkstatt 2023
25. Januar 2023

Die Romanwerkstatt hat begonnen. Jeden Tag sitze ich am frühen Morgen und schreibe. Ein wunderbares Gefühl! Und ergiebiger als zu anderen Tageszeiten. Später prasseln die Emails, die Anrufe, der ganz normale Alltag in die Stunden und ich bin zufrieden, schon etwas zu Papier gebracht zu haben.

Die Milchmädchenrechnung schießt immer wieder in meinen Kopf, dabei ist es eben nur ein sehr naiver Überschlag: bei einer Seite täglich habe ich in 365 Tagen ein Buch geschrieben. Klingt zu schön, um wahr zu sein, ist auch vollkommen unrealistisch. Nicht die eine Seite, die überbiete ich gern und oft, aber das Aufschreiben ist nur ein Teil der Arbeit. Der schönste, das auf jeden Fall. Zu überarbeiten ist anstrengender, als die Worte fließen zu lassen. Ich bin gefordert, Strukturen zu entwickeln und vor allem nachher auch einzuhalten, einen Spannungsbogen ernst zu nehmen. All die überflüssigen Füllwörter zu tilgen, wird der Abschluss werden. Aber noch bin ich ganz am Anfang. Der Text wächst, ich weiß noch nicht ganz genau, wohin die Reise gehen wird. Das mag ich, das hilft mir, engt meine Gedanken nicht ein.

Wenn ich am späteren Tag laufe, denke ich über das Geschriebene nach, formuliere neue Sätze, die ich mir nicht merken werde, aber das ist unwichtig. Das Gefühl, dass es weitergehen kann, beflügelt mich. Dass ich erfahrene und wohlgesinnte Autorinnen an meiner Seite weiß, bestärkt mich darin, zu experimentieren, dass ich ihnen etwas zurückgebe, weil ich mich auf ihre Texte einlasse, rundet die Romanwerkstatt für mich ab.

Es wird in den nächsten 340 Tagen nicht so weitergehen, leider, denke ich, aber das Leben schreibt eigene Gesetze. Es bleibt ein guter Start. Und was ich daraus machen werde, ist meine Entscheidung.

Schreiben zu Hause

Schreiben zu Hause
8. November 2022

Mein großes Glück mit Stipendien in Künstlerhäusern schlug sich in intensiver Schreibarbeit während der Aufenthalte nieder – und darin, zu Hause nur selten soviel Text zu produzieren.

Zuhause zu sein bedeutete Familie, Alltag. Ablenkungen und Unterbrechungen. Ob durch den Briefträger, der irgendwann mitbekommen hatte, das ich fast immer zu Hause war (bis mein Mann einen An-Aus-Schalter an das Haustelefon montierte), durch Bekannte, die mich anriefen oder penetrant agierende Werbe- und Umfragefirmen (bis ich entdeckte, dass ich auch das Festnetztelefon „stumm“ schalten konnte), durch die ganz normale Hausarbeit, die nie endet und zum Verschieben des Schreibens geradezu einlud. War ich unterwegs, schrieb ich permanent, ob nun im Kopf oder im Heft, auf dem Laptop, war ich zu Hause, kochte, buk oder putzte ich so lange, bis ich unzufrieden wurde. Manchmal dauerte es nur Tage, manchmal Wochen, aber der Drang, etwas Literarisches zu Papier zu bringen, kam. Darauf konnte ich mich verlassen.

Das Zuhausebleiben-Müssen änderte das. Ich konnte oder wollte nicht verreisen, schrieb keine Bewerbungen, verkroch mich. Nach den ersten Wochen und sogar Monaten, in denen ich stundenlang auf steigende Kurven und Zahlen gestarrt hatte, unfähig, mich überhaupt auf den Alltag konzentrieren zu können, fuhr ich im Auto in eine Nachbarstadt. Wie wunderschön der Himmel war, die Wiesen, die Waldgrenzen, die Vögel und das blaue Flussband! Die Welt war noch da, schöner als in der Erinnerung. Schöner als erwartet. Ich begann mit kleinen Texten, die Kurven oder Zahlen nicht einmal streiften. Mir fehlten die wöchentlichen Begegnungen, das Schauen und Beobachten von Menschen, das unweigerlich in meine Texte eingeflossen war, jahrelang. Aber ich hatte mehr abgespeichert als vermutet. Ich war nun einmal zu Hause, daran würde sich so schnell nichts ändern, und ohne zu schreiben konnte ich auch nicht sein. Ich räumte meine Schreibtische auf und um und setzte mich zwischendurch mit dem Laptop auf das große Bett. Ich schrieb. Es gab Online-Seminare, ich sollte und wollte neuen Text produzieren, mein begonnenes Projekt fortsetzen. In jenem ersten Sommer schrieb ich mehr als je zuvor. Der Austausch beflügelte mich, und irgendwann glaubte ich tatsächlich daran, überall schreiben zu können. Nicht nur in der Bahn oder im Flugzeug oder in Künstlerhäusern, sondern auch am See, auf einer Bank und eben zu Hause. Es war eine wunderbare Erfahrung.

Nun war ich von einem Aufenthalt zurückgekehrt und es begann wie immer. Ich räumte und buk und kochte und kämpfte gegen den Staub, der vier Wochen lang Zeit gehabt hatte, sich in allen Ritzen breitzumachen. Ich sortierte Fotos, kümmerte mich um Weihnachtsgeschenke, besuchte eine Lesung meiner Freundin. Und schon war sie wieder geweckt, die Freude am Schreiben. Zu Hause. Etwas anderes ist erst einmal nicht geplant und auch nicht in Sicht, es gibt sie immer noch, die Zahlen und Kurven. Sie ängstigen mich, aber sie blockieren mich nicht mehr. Während des langen Sommers in der Großstadt und der vier Wochen in Norditalien konnte ich schauen und beobachten und sammeln. Daraus kann ich jetzt schöpfen und ich freue mich darauf.

Schreibblockade

Schreibblockade
8. November 2022

Es ist das Damoklesschwert, das über uns hängt, über all jenen, die Worte zu Papier bringen wollen. Ich hatte bisher sehr großes Glück. Es gab nur einen Fall, der mich nicht nur lähmte, sondern zu zerschmettern drohte, und der geschah ausgerechnet in einem Weiterbildungsseminar, das mir helfen sollte. Ich war mit einem Textauszug angetreten zu meinem zweiten Romanprojekt, das schließlich als erstes veröffentlicht werden sollte, und die Dozenten waren sich einig: So geht das nicht. Das wird nichts.

Ich hatte gespürt, dass etwas nicht stimmte im Text, konnte es jedoch nicht benennen. Deshalb war ich schließlich in die Werkstatt gefahren. Ich hatte auf konstruktive Kritik gehofft und ein paar Ratschläge, die mir weiterhelfen würden. Stattdessen gab es die niederschmetternde Aussage, gepaart mit dem Satz: Fang eine andere Geschichte an.

Nein, wollte ich nicht. Ich wollte genau diese Geschichte erzählen.

Ich fuhr sehr entmutigt zurück und ich gab mir wirklich alle Mühe, weiterzuschreiben. Es funktionierte nicht. Nicht ein Satz wollte mir gelingen, ich dachte und fürchtete, nie wieder etwas „Ordentliches“ zu Papier bringen zu können. Ich dachte ernsthaft darüber nach, das alles zu lassen, stattdessen Stricken zu lernen oder eine Fremdsprache.

Die Gruppe der Teilnehmerinnen holte mich aus dem Loch. Wir waren nicht zufällig in diesem Kurs gewesen, aber die Zusammensetzung hatte ich schließlich nicht geplant, ich kannte nur zwei oder drei aus vorherigen Seminaren, eigentlich eher ihre Texte als sie selbst. Sie fragten mich in Emails: Wie kommst du klar, hast du weitergeschrieben, du kannst mir gern etwas schicken.

Ich schickte meine Verzweiflung hinaus in die Welt. Und erhielt Mut zurück. Das war meine Rettung.

Ich änderte die Perspektive, setzte irgendwo mitten im Manuskript an, verfasste die Szene neu und sandte sie herum. Der Knoten hatte sich gelöst, ich nahm die Anregungen und Hinweise an und schrieb weiter, bis der gesamte Text neu geschrieben war und tatsächlich irgendwann eine Lektorin so überzeugte, dass sie unbedingt ein Buch daraus machen wollte: mein Debut.

Allein wäre ich verzweifelt und wer weiß, ob meine gestrickten Handschuhe jemanden so hätten erfreuen können, wie es mein erster Roman bis heute tut. Dankeschön.

Regentag

Regentag
9. Oktober 2022

Der Herbst hält auch hier Einzug. Nicht nur die bunten Blätter künden davon, die unzähligen Kastanien auf den Wegen, die feilgebotenen Esskastanien und die schrumpelnden Weintrauben. Ein Regentag. Ich hatte es ein wenig gewünscht, ich brauchte mal eine Pause, eine Laufpause, eine Mußestunde, in der mein Kopf das auskippen kann, was sich in den letzten Tagen angesammelt hat.

Hinter den Wolken sind die Berge versteckt. Weiße Wolken, etliche sind inzwischen bis zu den Baukränen gesunken, einzelne Streifen ziehen auf halber Höhe ihre Bahn, schweben, bewegen sich kaum. Aber jedesmal, wenn ich aufschaue, hängen sie an einer anderen Stelle, nur den Kirchturm (den einen, es gibt sehr viele) werden sie heute nicht mehr erreichen.

Während sich die Touristen wahrscheinlich grämen, bin ich dankbar für diesen Tag. Drei Reihen Bücher warten darauf, wenigstens einmal in die Hand genommen zu werden (die mitgebrachten kann ich schließlich einfach wieder einpacken), die zahlreichen Landkarten wollen sortiert werden, eine Mittagspause wäre auch mal schön.

Mein Kopf ist noch lange nicht leer, ich kann schreiben und verwerfen und neu formulieren ohne den selbst produzierten Druck, neue Wege erkunden zu wollen, und außerdem klart es langsam auf.

Es bleibt Zeit für beides: zum Schreiben und zum Laufen. Ich bin froh, keiner der Touristen zu sein, die morgen abreisen müssen, obwohl auch mein Aufenthalt begrenzt ist.

„Sie bleiben das ganze Jahr?“, fragte ein Mann am Bus. Leider, nein. Obwohl. Diese Auszeit ist deshalb so inspirierend, weil es eine Ausnahme ist. So, wie dieser willkommene Regentag vermutlich eine Ausnahme bleiben wird – jedenfalls, solange ich hier bin.