• „Für Kinder muss man schreiben wie für Erwachsene – nur besser“

    12. Mai 2025

    Dieses Zitat von Maxim Gorki oder Erich Kästner (es war mir nicht möglich, das herauszufinden, beide haben das jedenfalls beherzigt) geht mir seit einigen Tagen durch den Kopf. Ich lese Jugendbücher. Ich hatte mich darauf gefreut, wieder in der Jury für den ver.di-Literaturpreis zu sein, Jugendbücher gehören nicht zu meinem üblichen Repertoire an Lesestoff.

    So, wie ich gern am bundesweiten Lesewettbewerb teilnehme, um einen kleinen Einblick in die Vorlieben von Kindern einer sechsten Klasse zu bekommen, erfahre ich auch gern, was ältere Jugendliche lesen. Oder lesen würden, denn beim Literaturpreis sind es die Verlage und Autorinnen, die Bücher einreichen, nicht die Leser. Das unterscheidet die Wettbewerbe.

    Das Leuchten in den Kinderaugen beim Vortrag, ihre Nervosität, ihr zu schnelles Lesen, all das zeigt mir, wie sehr sie das gewählte Buch lieben.

    Ich könnte recherchieren, ob eines der eingereichten Werke auf BookTok oder Bookstagram oder einem anderen Kanal beworben wird, herzzerreißend, lachend oder weinend, aber das wäre nicht einmal ähnlich der Situation in einer 6. Klasse oder Bibliothek. Ich kann die Bücher nur selbst lesen – das wollte ich schließlich auch tun.

    Der Stapel ist hoch, ich brauche nach den ersten Werken erst einmal eine Pause – die ich mit Literatur fülle. Mit Erwachsenenbüchern, die die Schönheit der Sprache zeigen, den roten Faden nicht verlieren, humorvoll und spannend geschrieben sind. Das erfüllt sich auch nicht bei jedem Titel. Vielleicht habe ich gerade das Glück, diese Geschichten auf dem anderen Stapel liegen zu haben, sie begeistern mich, sie hallen nach.

    Auch bei den durchgearbeiteten Jugendbücher gibt es Episoden, die mich fesseln, die nachklingen, mich berühren. Die Themen, die Figuren, Schauplätze. Bisher habe ich keinen Favoriten gefunden, aber noch warten viele ungelesene Jugendbücher, die mich überraschen können.

    Sofern sie das einlösen, was Erich Kästner oder Maxim Gorki nicht nur wunderbar formulierten, sondern umsetzten: „Für Kinder muss man schreiben wie für Erwachsene, nur besser“.

  • Lese-Pause

    13. April 2025

    Ganz ist es noch nicht so weit, erst ab Mitte Juni wird es tatsächlich eine Pause geben, aber gerade liegt beinahe ein ganzer Monat vor der kommenden Buchpräsentation. Es war insgesamt viel los in den letzten Wochen.

    Die Lesungen waren nicht nur pure Anstrengung (organisieren, vorbereiten, laut lesen üben, zum Ort der Veranstaltung fahren, eine Stunde stehen beim Vortrag, anschließend Gespräche führen), sondern geben mir immer viel zurück. Die Fragen sind oft ähnlich, nach dem, was „authentisch“ ist, nach dem, wie ich Ideen finde und ob ich vom Schreiben leben kann. Natürlich nicht. Aber von den Lesungen. Nicht im materiellen Sinn, sondern psychisch. Eine gute Lesung trägt mich lange durch den Alltag. Ich denke über die Fragen nach, versuche, die mich jedesmal berührende absolute Stille während meines Vortrags nachzuempfinden, sie noch einmal zu genießen. Diese Stunde ist oft der einzige Kontakt zu den Menschen, die meine Bücher lesen oder nur mir zuhören möchten. Beflügelt bereite ich auf dem Rückweg im Kopf schon die nächste Lesung vor, überlege mir andere Textstellen, die noch besser passen könnten. Ich möchte diese Tage nicht missen, so anstrengend sie auch sind.


    Manchmal, wenn ich aus einem älteren Roman lese, erhalte ich schon vorab wunderbare Eindrücke, weil die Gäste das Buch kennen. Und sich dennoch auf den Weg gemacht haben, um mir zu lauschen, Textstellen zu erkennen und anschließend lange über eigene Erfahrungen berichten. Das geschieht manchmal in einem großen Kreis, an anderen Tagen sind nur zehn oder zwölf Gäste gekommen, es passiert aber, dass ich mit den wenigen Zuhörern länger im Gespräch bleibe als es bei größeren Runden der Fall ist – vermutlich ist die Hemmschwelle bei mehr als dreißig Leuten höher.
    Wenige Zuhörer wirken auf mich wie eine Familie oder ein Freundeskreis, dabei kenne ich niemanden. Und auch sie kennen nicht mich, sondern nur meinen Text.


    In diesem Frühjahr und Frühsommer sind die Vorbereitungen besonders aufwändig, weil ich aus allen drei Romanen vortrage. Vor unterschiedlichen Altersgruppen, an sehr unterschiedlichen Orten. Ich kann beim Texte heraussuchen, beim Lesen üben und beim Vortrag auch meinen Weg nachvollziehen und die teils gegensätzlichen Spannungen des Schreibens. Stufen, die nicht unbedingt auf einer Leiter nach oben führen, sondern Zwischenräume ausloten. Es gibt lyrische Passagen, dokumentarische, es gibt neben Landschaftsbeschreibungen seitenweise Dialoge. Passend zur jeweiligen Geschichte, so wollte ich es. Nach einer Lesung denke ich, es ist mir gelungen.

  • 100 Tage

    10. April 2025

    Die ersten einhundert Tage des Jahres 2025 sind nun herum und wie in den letzten Jahren üblich, kann ich mich nur darüber wundern, wie schnell sie vorbeigezogen sind.
    Trotz oder wegen der Seminare habe ich viel geschrieben, an unterschiedlichen Texten, insgesamt sind es knapp einhundertdreißig Seiten geworden. Das ist nicht so viel, wie ich erhofft hatte, die drei Seminare, der Besuch der Buchmesse, Lesungen aus unterschiedlichen Romanen und der Alltag haben mich doch mehr beschäftigt als erwartet. In meinem Kopf sind noch viele Ideen und sogar fertige Szenen, ich muss sie nur aufschreiben. Dafür finde ich nun wieder mehr Zeit und ich freue mich darauf.
    Denn das Schreiben am Morgen trägt mich weiterhin, nicht so sehr wegen der Struktur des Tages, sondern wegen des Gefühls, etwas geschafft zu haben. Die Überarbeitung muss noch warten, bis alles, was sich an Ideen in und nach den Seminaren angesammelt hat, erst einmal aus der Feder respektive der Tastatur aufs (digitale) Papier geflossen ist.

  • Hamburg und Wolfenbüttel

    4. April 2025

    Das Autorendock und die Bundesakademie. Innerhalb von zehn Tagen, definitiv zu viel für mich, aber es hat sich gelohnt. Beides.

    Textbesprechung ein ganzes Wochenende lang, und trotz des viel zu lauten Hotels in Hamburg und – natürlich? – verspäteter Züge Geschichten, die nachwirken. Eine vorsichtig agierende Gruppe, an einigen Stellen hätte ich mir konstruktive und auch härtere Kritik gewünscht, aber ich war eine der wenigen Teilnehmer, die Seminarerfahrungen besaßen. Achtsames Umgehen miteinander hat auch etwas Gutes, von Achtung geprägtes Kundtun von Meinungen nämlich. Von Hamburg habe ich nicht viel gesehen, aber der Espresso auf dem Terrassendach im strahlenden Sonnenschein – und allein mit meinen Gedanken – bleibt mir wohl noch eine Weile in Erinnerung, ebenso wie die überwiegend autobiografischen Inhalte der Texte. Als Bonus erhielten wir den eigens vom Dozenten lektorierten eingereichten Text.


    In Wolfenbüttel sitzen zwei Dozenten vorn, die Diskussionen können somit wesentlich strukturierter ablaufen, das mag ich an der Bundesakademie. Ebenso das Vermitteln von Wissen, anhand fremder alter und neuer Texte der veröffentlichten Literatur, sogar eine kleine Schreibübung fand noch Platz in dem prall gefüllten Zeitrahmen von drei Tagen.
    Ich mag es auch, in Wolfenbüttel die Veränderungen wahrzunehmen. Die einstige Stadt mit „Zonenrandförderung“ verfiel nach der Wende zusehends, inzwischen stehen weniger Geschäfte leer, neue Grünanlagen entstanden, Baustellen künden von weiteren Vorhaben. Die Mühle steht für Beständigkeit. Die Textkritik ist sachlich, es wird manchmal zu viel abseits der Thematik geredet, das schaffen selbst zwei Dozenten nicht einzugrenzen. Trotz der hohen Teilnehmerzahl werden immer alle Besprechungen geschafft, der Humor (manchmal ausufernd ins Kalauern) sorgt auch drinnen für ein angenehmes Klima. Draußen lockte die Sonne, die wir in einer längeren Mittagspause genießen durften. Die obligatorische Lesung eines Dozenten am zweiten Tag ist immer etwas Besonderes. An diesem Montag war die Mühle so gut besucht, dass ich erstmals nach oben flüchtete und mit einer wunderbaren Aussicht aus der Galerie auf den unteren Raum und die Lesung belohnt wurde.
    Zwei Seminare also, das dritte in der Reihe und erste der Aufzählung fand in Rendsburg statt, und nun wartet viel Arbeit. Auf die ich mich freue.

  • LBM 2025

    28. März 2025

    Das wichtigste zuerst: sehenswert. Immer. Obwohl es am Freitag viel zu voll war und die Security herum stand ohne zu handeln. Am normalen Einlass schlängelte sich ein riesiges Band aus Körpern um das große Wasserbecken herum, einen separaten Presseeingang gab es eben so wenig wie einen für Fachbesucher, die nicht gleichzeitig Aussteller waren. Ich konnte nur schieben und geschoben werden, glücklicherweise half mir vorerst die in den vergangenen Jahren erworbene Orientierung. Sicherheit ist wichtig, weshalb jedoch jeder einzelne Besucher einen Scan über sich ergehen lassen musste beziehungsweise durch das vom Flughafen bekannte Gerät gehen, was die Wartezeit extrem verlängerte, blieb mir unklar. Taschenkontrollen gab es wie in jedem anderen Jahr auch. Wer seitlich ins Gebäude kam, konnte weder Rucksack noch Jacke abgeben. Draußen schien die Sonne und heizte die Glasröhren zusätzlich auf.

    Es war bunt wie immer, gut besucht wie immer, nur inhaltlich hat sich einiges verändert. Weniger Pressestände, mehr Fantasy, Dark Romance und New Adult. Für einen Tag war es schön zu sehen, wie viele Menschen sich nach wie vor für das gedruckte Wort interessieren.
    Das Wiener Café hatte geöffnet, ein Mußepunkt inmitten des Trubels, und am Stehtisch tatsächlich Zeit zum Erzählen.
    Der Rückweg verlangte mir dann doch noch einiges ab, denn ich nahm den falschen Ausgang. Wo man üblicherweise draußen und unter den Glasröhren zurück laufen kann, gab es nur Zäune und Mitarbeiter, die uns (ich war nicht die einzige, die verwundert auf den Maschendraht blickte) mit ein paar Brocken Deutsch erklärten, dass es hier nicht weitergeht. Also ungefähr siebenhundert Meter zurück, die Treppen nach oben nehmen und in sehr weitem Bogen um das Gebäude herumlaufen, um dann wieder hinabzusteigen. Der Weg zurück durch die Messehallen wäre definitiv kürzer gewesen.
    Chaos auf dem Bahnhof, aber dort drei handelnde Mitarbeiterinnen, Megaphone und Ansagen, und dann war ich irgendwann am Hauptbahnhof und lief zum Bahnsteig für den ICE nach Berlin. Der hatte Verspätung, aber das war dann tatsächlich nicht mehr wichtig.

  • Geschafft!

    12. März 2025

    Ich bin auf Seite 103 und habe noch etliche Notizen für weitere Szenen.

    Vermutlich werde ich in den nächsten Tagen noch einfach weiter schreiben, aber mein Ziel für dieses Jahr ist erreicht. Ein tolles Gefühl!

    Da noch zwei Seminare anstehen, kann ich mich entspannen, was die geplante Seitenzahl betrifft, und mich auf die Gruppen und den Austausch konzentrieren.

    Die ersten einundsiebzig Tage dieses Jahres waren vor allem eine Freude. Das Schreiben am Morgen hat mich mit viel Energie für den Tag ausgestattet, deshalb mag ich gar nicht damit aufhören. Ich darf es nun ruhiger gestalten, ich weiß schließlich auch, dass ich alle Seiten noch einmal lesen muss, der Text ruhen sollte und die Überarbeitung anstrengend werden wird.

    Ich freue mich darauf – im April oder Mai oder Juni, wenn ich von den dann vielleicht 150 Seiten wieder bei 100 landen werde.

  • Rendsburg, Hamburg, Wolfenbüttel

    09. März 2025

    Ich hatte mich für drei Weiterbildungen angemeldet, mich mit Textauszügen beworben und erhielt tatsächlich drei Zusagen. Zwei hätten vermutlich gereicht, mit einer einhundertprozentigen Quote hatte ich jedenfalls nicht gerechnet.

    Nachdem ich im letzten Jahr nur zu einem Seminar gereist war, das ich seit etwa zehn Jahren auf meinem Wunschzettel hatte, nun also drei und auch noch kurz hintereinander.

    Das erste in Rendsburg ist nun schon Geschichte.

    Die Anfahrt ist recht lang, aber das Nordkolleg ist einen Besuch immer wert. Eine auf zwölf begrenzte Teilnehmerzahl sorgt dafür, dass tatsächlich jeder zu Wort kommen kann, dass viel Zeit für die Textarbeit aufgebracht wird und zwischendrin immer wieder auf allgemeinere Fragen eingegangen wird – bei einer Dozentin, die Verlagslektorin ist, geht es entsprechend oft um Veröffentlichungschancen und das Procedere dorthin.

    Norddeutscher Nebel am Morgen, Sonnenschein mittags und der Nord-Ostsee-Kanal nur Gehminuten entfernt, sehr wichtig nach dem immer reichhaltigen Essen in ungezählten Varianten aus Fleisch, Fisch, Gemüse und Nachtisch – wer in Rendsburg nicht zunehmen will, muss die Mahlzeiten auslassen.

    Eine ausgewählte Seminargruppe, die sich ermunternd kritisiert, sachlich, fachlich fundiert und vorsichtig. Sich kaum wiederholend, sehr angenehm.

    Einiges habe ich bereits in meine Überarbeitung übernommen, Dankeschön.

    Nächster Ort wird Hamburg sein, das Autorendock, leider finden die Wochenendseminare nicht mehr in Berlin statt, das wäre ein Katzensprung. Immerhin fahre ich im März nach Hamburg und nicht erst im Spätsommer, wenn die Bauarbeiten auf der Strecke die Reisezeit mindestens verdoppeln werden.

    Der Reader für das Seminar ist zweimal so dick wie der für Rendsburg gewesen ist. Eine echte Herausforderung, diese Lesezeit will erst einmal eingeplant werden. Ich habe es gestern geschafft, die letzten Texte nicht nur zu lesen, sondern auch mit Anmerkungen zu versehen, ein zweites Mal nehme ich sie mir vermutlich erst auf der langen Zugfahrt vor.

    Mein Textauszug für Wolfenbüttel ist abgeschickt, auch von dort wird es demnächst einen Reader geben, den es durchzuarbeiten gilt. Wenn das geschafft ist und das Seminar in Wolfenbüttel beginnt, ist der März vorbei. Ich freue mich trotz der Anstrengung darauf, mit wiederum Unbekannten über ihre und meine Textarbeit zu sprechen. Das morgendliche Schreiben ist wichtig, aber auch der Kontakt zu anderen, die ähnliche oder ganz andere Rituale haben, zweifeln, sich an gelungenen Sätzen oder Passagen erfreuen. Die Hinweise von anderen, die mich nicht kennen, sondern nur das, was ich eingereicht habe, sind nicht immer hilfreich, aber ich lerne auch in den Diskussionen zu ihren Texten und kann damit an meinem eigenen weiterarbeiten.

  • Halbzeit
    21. Februar 2025

    Ich schreibe nun jeden Tag, oft mehr als eine Seite. Wenn ich das geschafft habe, spüre ich, wie gut es mir tut. Ich arbeite an zwei Projekten, das hilft natürlich, weil ich die Auswahl habe, falls mir zu einem gerade nichts einfallen will. Bisher habe ich das aber nicht gebraucht, ich schreibe eher parallel.

    Fünfzig Tage sind herum und mein Vorlauf ist gut. Die einhundert Seiten werde ich vielleicht sogar vierzehn Tage früher erreichen als geplant, aber das ist nur Spekulation. Das Wichtigste ist, dass etwas bleibt von diesem begonnenen Text, dass er auch nach der notwendigen Ruhephase für mich Potential hat. Ich Lust dazu habe, daran zu arbeiten, „etwas daraus zu machen“. Erst einmal für mich.

    Die Freude, mich am Morgen an den Laptop zu setzen und ein gutes Gefühl für den Tag zu bekommen, hilft mir, mit all den Unwägbarkeiten des Alltags umzugehen. Der Schnee glitzert, die Sonne wärmt, gegen den Wind packe ich Hals und Ohren ein.

    Ich bleibe von all den herum irrenden Viren oder Bakterien nicht verschont, sie suchen ein Zuhause, das ich ihnen gar nicht anbieten möchte, sie finden mich. Wollen mich umwerfen, verbünden sich mit dem eisigen Wind. Aber die Freude über das morgendliche Schreiben trägt mich. Selbst durch diese Tage.

  • Auf ein Neues!
    19. Januar 2025

    Inzwischen ist der erste Monat des Jahres schon fast herum. Neujahr ist der Tag der guten Vorsätze. Die meisten davon landen allerdings nach einer Woche im Müll, andere lassen sich nur wenige Monate durchhalten. Zu viel macht zu viel Druck. Ich habe natürlich auch darüber nachgedacht, Silvester ist eben ein Datum, an dem nicht nur geböllert wird, sondern auch Bilanz gezogen werden kann. Was plane ich für das nächste Jahr, was wünsche ich mir, was wäre Glück, aber eher unwahrscheinlich. Feiertage sind wenig geeignet, um realistisch zu bleiben, aber einen Versuch ist es wert.

    Ich habe mir für das neue Jahr vorgenommen, jeden Tag eine Seite zu schreiben. Es gibt zahlreiche Ratgeber, die einem ausrechnen (oder auch nur dokumentieren), dass, wer jeden Tag eine Seite füllt, am Jahresende ein Buch geschrieben haben wird. Das klingt auf den ersten Blick verlockend. Für diejenigen, die noch nie ein Buch geschrieben haben. Denn das Rohmaterial, und mehr kann ein erster Entwurf bei mir nicht sein, muss noch unzählige Male verändert und verbessert werden. Also besser ein Anfang. Die Idee schwirrte schon seit einiger Zeit in meinem Kopf und gemeinsam mit der Lust auf Neues fiel es mir nicht schwer, zu beginnen.

    In den vergangenen Jahren hat sich bei meinem Schreiben herauskristallisiert, dass eine Geschichte erst zu einem Roman werden wird, wenn ich über die ersten sechzig Seiten hinausgekommen bin. Das ist meine persönliche Achillesferse. Bin ich bei einhundert Seiten angekommen und habe immer noch viele Ideen für die folgenden Kapitel im Kopf, kann es gelingen. Andernfalls taugen die sechzig Seiten vielleicht zu einem anderen Zeitpunkt dafür, daraus eine Kurzgeschichte zu formen. Der Rest bleibt Fingerübung. Das ist ja auch wichtig.

    Jeden Tag eine Seite also. Aber nicht das gesamte Jahr hindurch. Zu viel macht zu viel Druck. Ich habe mir einhundert Seiten vorgenommen – damit lande ich, wenn es klappt, am 10. April, das ist noch eine Woche vor dem Osterfest. Sollte zu schaffen sein. Dann werde ich wissen, ob das Projekt gedeihen kann. Ich kann entweder „verlängern“ oder ohne Gewissensbisse mit der Überarbeitung beginnen. Bisher funktioniert das sehr gut, ich habe ein paar Seiten Vorlauf. Ein guter Start in ein neues Jahr.

  • Weihnachtsruhe
    27. November 2024

    Es ist erst in vier Wochen soweit, besser gesagt, ist Weihnachten dann schon vorbei. Meine Ruhe vermutlich auch.
    Noch hängt draußen der trübe November vor dem Fenster und lässt mich erst mittags aus der Wohnung (und vom stehenden und sitzenden Schreiben). Gehen, atmen, nachdenken. Die Hörbücher müssen gerade warten, ebenso wie die „echten“ Bücher, mein Kopf ist gefüllt, es dauert, ehe ich dort Platz für neue Texte finde. Dann ist es meistens schon wieder morgens.
    Die permanente Konzentration ist kräftezehrend. Essen, Trinken, Laufen – alles findet statt, aber gefühlt ohne Beteiligung des Kopfes. Mund, Nase, Hände, Füße funktionieren wie bei einer Maschine, der Kopf aber will ständig etwas anderes und damit Hände und Füße beschäftigen. Ein Teufelskreis, der euphorisiert aber auch mega-anstrengend ist.

    Ab dem Wochenende wird sich das ändern. Alles, was ich schaffen wollte, ist geschafft, jetzt schon, ich kann langsam austrudeln, im Hier und Jetzt ankommen, mich auf Plätzchen und Kerzen konzentrieren. Darauf, dass die Sonne es tatsächlich schafft, durch die dicken Wolken zu dringen. Noch wird es jeden Tag später hell und früher dunkel, aber auch der Kipppunkt ist schon bald erreicht und bis dahin werde ich endlich die Bücher lesen, die sich angesammelt haben, Briefe schreiben statt Geschichten, weniger strukturiert, aber herzlich. Ich werde mit den fremden Geschichten im Kopfhörer den Reihern, Enten und Schwänen zusehen und einfach nur laufen.
    Mein Ruhemonat Dezember. Für die Familie und zum Backen. Damit mein Kopf sich erholt (hoffentlich) und ich insgesamt neue Kraft schöpfen kann für all die Dinge, die ich noch machen möchte. Nach Weihnachten.

  • Franz-Edelmaier-Residenz für Literatur und Menschenrechte in Meran Oktober 2024

    Ein zweiter Aufenthalt in diesem traumhaften Appartement. Nur zwei Wochen, die ich aber gut nutzen wollte. Würden die Berge locken oder ich Ende Oktober die meiste Zeit drinnen zubringen müssen, einfach, weil es draußen ungemütlich war? Immer wieder rief ich Websiten mit der Wettervorhersage auf, die mindestens für die Hälfte der Zeit nur eins versprachen: Regen, Regen, Regen. Und dann erreichte ich Meran bei strahlendem Sonnenschein.

    Das Wochenende vor dem Antritt des Stipendiums hatte ich etwas südlicher verbracht und war auf dem Sentiero della Pace gelaufen, dem Friedensweg. Über 700 Kilometer führt der Weg der Kriegsschauplätze zwischen italienischen und österreichisch-deutschen Truppen im Ersten Weltkrieg, vom Stilfser Joch (das ich 2017 erwanderte) bis hinunter zum „Berg der zehntausend Toten“ Pasubio und wieder hinauf in die Dolomiten. Das konnte ich nicht meistern, mein Ziel war Rovereto, die Stadt des Friedens. Die teils in die Berge gebauten mehrstöckigen Bunker beeindruckten auch mich als Laien, wichtiger war mir jedoch, während des Laufens über heutige Kriege und vor allem den Frieden nachzudenken. Als ich schließlich unter der berühmten Friedensglocke stand, die täglich in Rovereto erklingt, war alle vorherige Anstrengung vergessen.

    Meran war voller Touristen, ein mehrsprachiges Schnattern, die Weinlokale und Eisdielen gut besucht. Obwohl ich seltener italienische Sätze hörte, dachte ich an „la dolce vita“ und dass es vielleicht genau das ist, was man oder frau tun kann in dieser Zeit: das Leben und damit den Augenblick genießen.

    Es blieb sonnig und warm. Zwar wurden die Nächte kühler und die Tage nach der Zeitumstellung kürzer, aber das kam mir gelegen. Bis mittags saß ich am Schreibtisch, dann ging ich wandern. Kurze Touren mit Podcast oder Hörbuch, mit Gesprächen an der Bushaltestelle oder am Waalweg. Nach dem Abendessen, das meistens schon am späten Nachmittag stattfand, setzte ich mich wieder an den Laptop. Jenseits des häuslichen Alltags konnte ich lesen, hören, schreiben – und nachdenken.

    Natürlich sind zwei Wochen dafür keine lange Zeit, eine dritte Woche hätte ich mir sehr gewünscht. Aber die Begrenzung führte zu großer Intensität, ich bin zufrieden und freue mich an Kleinigkeiten: den Erklärversuchen der Bauarbeiter am Wegesrand mit Händen und Füßen, dem Durchwinken des Busfahrers, weil mein Ticket abgelaufen ist, dem Lächeln der Verkäuferin, als sie mich wiedererkennt.

    Und wer weiß? Vielleicht muss ich gar nicht für immer Abschied nehmen vom Appartement.

    Sind nicht aller guten Dinge drei?

  • Öfter etwas Neues wagen
    04. November 2024

    Wie oft denken Autorinnen darüber nach, das Genre zu wechseln?
    Krimi statt Fantasy, Haiku statt Poem oder: Drehbücher für Filme oder Stücke fürs Theater statt epischem Roman. Weshalb nicht ein Computerspiel entwickeln? Jenseits der technischen Umsetzung selbstverständlich, oder ein Kinderbuch schreiben? Ebenfalls selbstverständlich ohne Illustration. Oder – vielleicht – mit Strichmännchen. Neben den klassischen Rubriken Epik, Dramatik, Lyrik und den neueren: Kurzgeschichte, Sachbuch oder Biografie gibt es schier unendlich viele Möglichkeiten.
    Journalistisches Schreiben, ein Hörspiel verfassen, einen Fantasy-, Scienes-Fiction- oder Mittelalter-Roman, ein Liederbuch. Einen Satz auf zweihundert Seiten ausdehnen oder in Meister-Yoda-Sprache experimentieren.

    Das Ausprobieren wird für die meisten, wie bei mir, in der Anfangszeit stattfinden/stattgefunden haben. Ich wollte mich schriftlich ausdrücken und suchte dafür die entsprechende Form. Eine, die zu mir passte, zu meinem Zeitreservoir, meiner Tippgeschwindigkeit, meinem Anliegen, meinen Vorlieben.
    In den ersten Jahren habe ich kurze und längere Texte formuliert, Lyrik von vier Zeilen bis seitenlang, mich an Drehbüchern versucht und Hörspielen, an Kinderbüchern und Märchen für Erwachsene.
    Heute brauche ich, um eine gute Kurzgeschichte zu schreiben, zuerst einen längeren Entwurf, den ich dann so lange überarbeite und zusammenstreiche, bis die Essenz als gelungene Kurzprosa bezeichnet werden kann. Wobei mir dann immer noch zu viele Figuren im Text herumstehen. Oder Nebenschauplätze wegen der Kürze nicht mehr wichtig werden können. Das ist sehr anstrengend für mich, ich verzweifle oft genug daran und gebe Kurzes wieder auf.
    Geschichten, die sich ausbreiten dürfen, liegen mir offensichtlich mehr. Gekürzt und überarbeitet werden auch sie, aber von vierhundert Seiten fünfzig zu streichen, erscheint mir eher möglich als von drei Seiten eine halbe, und zwar jenseits der Mathematik.

    Von einigen Genres habe ich mich innerlich verabschiedet. Ich tauge ja nicht einmal dazu, für runde Geburtstage Reime zu schmieden, weil sich in mir alles gegen unsaubere Enden und holprige Rhythmen sträubt, ebenso wie gegen Klischees, weshalb ich auch kein Buch im Bereich Romance zustande bringen würde. Trotzdem möchte ich dann und wann etwas ausprobieren. Eben doch eine Kurzgeschichte oder ein kleines Gedicht. Ein Kinderbuch mit Strichmännchen oder einen Songtext. Damit das Schreiben mir weiterhin vor allem Spaß macht. Anstrengend wird es dann von ganz allein.

  • BuchBerlin 2024
    23. September 2024

    Vor einigen Jahren war ich zum ersten Mal als Vertreterin des Brandenburgischen Schriftstellerverbandes auf dieser kleinen Messe gewesen. Es hatte mir damals nicht gefallen. Zu viele Self-Publisher, die an zahlreichen Ständen ihre eigenen Bücher mit erschreckend banalen Themen in einer wenig ausgefeilten Sprache anboten, zu wenige Literaturverlage, viel zu viel Selbstdarstellung und Schnickschnack.

    In diesem Jahr wagte ich mich wieder einmal dorthin. Der Brandenburgische Schriftstellerverband war nicht vertreten, auch „mein“ Karlsruher Verlag nicht, die Zahl an ausstellenden Literaturverlagen war ebenfalls geschrumpft.

    Dennoch hatte sich bereits zur Eröffnung eine lange Schlange vor dem Eingang gebildet. Wieder waren es vor allem Autoren und Autorinnen, die selbstverlegte Bücher anboten, teils entsprechende Performance dazu boten, auch Merchandising stand offensichtlich hoch im Kurs. Es gab Lesungen und ausgestellte Bücher, die zum Schmökern einluden, mir allerdings leider auch vor Augen führten, dass diese Buchmesse vor allem den Bereichen Fantasy, Krimi und Romance gewidmet war. Und dem Selbst-Verlegen von Texten: ich sah etliche Stände von Dienstleistern, Werbeagenturen und Freien Lektoren. Gut, eine Tombola, ein Rätsel-Wettbewerb, hier und da Süßigkeiten – das findet sich auch auf der großen Messe in Leipzig.

    Glücklicherweise gab es auch gute Momente an anderen Ständen: Mehrsprachige Kinderbücher, die in ausländischer Währung ausgepreist waren und für wenig Geld den Besitzer wechselten, kleine Literaturverlage, die anspruchsvolle Texte in Hardcover, Softcover und Zwischenformen hatten drucken lassen, eine Vielfalt an Themen und Genres, die mich erstaunte und aufmerken ließ. Auch die #BerlinAuthors waren vertreten, engagiert, jung, mit eigenen Werken und dem Ziel, ein breites Netzwerk aufzubauen, das auch jede brandenburgische Autorin willkommen heißt.

    Die BuchBerlin geht über zwei Tage, an einem Wochenende, und vermutlich haben viele Gäste dort das gefunden, was sie gesucht haben. Ich konnte gute Gespräche führen, erfuhr auch, weshalb jemand die Buchmesse mochte oder was fehlte, oft sogar ungefragt. Für mich war es immerhin interessant und gekauft habe ich auch etwas. Ein Tag reichte mir jedoch und nach dem vielen Laufen zwischen den Gängen, die laienhaft beschriftet waren, atmete ich draußen die spätsommerlich warme Luft und schlenderte den restlichen Nachmittag lieber auf der anderen Seite des Bahnhofs Treptower Park, wo ich das Wasser sehen konnte und viel Grün und Muße hatte, über all das nachzudenken, was sich an Informationen und Bildern in mir angesammelt hatte.

  • Kann man das Zeichnen erlernen?
    9. September 2024

    Flix sagt: Ja.

    Ich bin mir selbst nach dem interessanten Seminar in Wolfenbüttel nicht sicher. Übung macht wohl auch hier erst den Meister. Ein paar Kniffe durfte ich lernen, kleine Striche meistens, die so viel aussagen können.

    Es waren auf jeden Fall drei spannende Tage in einer wunderbar freundlichen und kreativen Gruppe, sogar das heiße Sommerwetter durfte draußen bleiben – im Saal der Mühle, während die Zimmer gut beheizt wirkten.

    Comics hatten es zuvor nicht geschafft, meine Aufmerksamkeit zu erregen. Ich verzweifelte regelmäßig daran, mich nur entweder auf die Bilder oder auf den Text konzentrieren zu können. Das einzige Buch, das ich vor allem wegen des Inhalts vollständig – ja, was nun – gelesen UND angeschaut habe, ist die „Vollständige Maus“, zwei Bände in einem Buch, von Art Spiegelman. Erstaunlicherweise sind mir, das wurde mir erst in Gesprächen bewusst, doch etliche Asterix-Gebilde als Gesamtheit von Text und Grafik in Erinnerung geblieben. Ich bin also in der Lage, Text und Bild in meinem Kopf zu vereinen. Und am dritten Morgen, beim Lesen des „Streiflichts“ stellte ich mir vor, wie dieser Artikel als Comic aussehen könnte. Die gedruckte „Süddeutsche“ ist eine schöne Zugabe in der Bundesakademie und ich blättere am Morgen gern darin.

    Zum ersten Mal erlebte ich auch eine Comic-Lesung. Ich war sehr gespannt darauf zu erfahren, wie man so etwas durchführt – und wurde nicht enttäuscht. Es war lustig, es war anregend und kurzweilig.

    Ganz nebenbei war es eine gute Schule für kurze und knappe Aussagen, die bestenfalls „ins Schwarze treffen“. Mein erster Text zu einer Grafik füllte das ganze Blatt, die letzten Texte bestanden aus wenigen Wörtern. Und sogar ein paar gute Striche habe ich hinbekommen. Das allerdings dem tollen Konzept geschuldet, angefangene Zeichnungen an einen Nachbarn weiterzureichen, was immens Spaß gemacht hat und den Druck rausnahm.

    Ich werde vermutlich nicht zum Comic-Zeichner mutieren. Aber zu zeichnen lernen – ja, ich glaube, das kann man.

  • Analysieren
    24. August 2024

    Untersuchen, auswerten, zergliedern, zerlegen.
    Manchmal sehne ich mich zurück zu Zeiten, in denen ich einfach nur konsumierte. Buch oder Film. Ausschließlich über Inhalte diskutierte. Vermutlich nur in meiner Erinnerung, denn schlechte Dialoge oder unglaubwürdige Entwicklungen sind mir ganz sicher auch früher schon aufgefallen. Seit ich selbst Texte verfasse, denke ich, stören mich solche Dinge häufiger. Glücklicherweise schaffe ich es in den meisten Fällen, auch das Gute zu sehen und klappe das Buch nur dann zu, breche das Hörbuch oder die Serie nur dann ab, wenn es für mich zu abstrus wird oder einfach zu schlecht.
    Ich kann mich an gutem Handwerk erfreuen, selbst, wenn nicht alles schlüssig verläuft. In Serien, Büchern und Vorgelesenem. Bei Serien ist es am einfachsten, dran zu bleiben, mindestens die Cliffhanger sind gut gemacht, und sie taugen selbst mit abgerissenen Enden bestens zur Analyse. Einige erscheinen mir wie aus dem Handwerkskoffer gebastelt, ich weiß, wohin die Reise gehen wird, ich stolpere nicht einmal sehr über die wenig plastischen Figuren, weil die Dialoge humorvoll und knackig sind, weil ich trotz der Vorhersehung wissen möchte, wie es zum erwarteten Finale kommen wird.
    Bei unterhaltender Literatur ist es ähnlich. Bei den Büchern, von denen ich Sätze oder gar Seiten kopiere, anderen vorlese, mir noch einmal vorlese, erfreue ich mich vor allem an den Dingen, die meine Gedankengänge von „Was ist das jetzt?“ oder „Weshalb jetzt so?“ in bloßes Staunen oder Nicken umwandeln, weil zum Beispiel eine eingeschobene Szene aus der Vogelperspektive erst merkwürdig erscheint und dann den perfekten Puzzlestein ergibt.
    Bei Hörbüchern spule ich inzwischen zurück. Das ist wegen der Technik nicht immer so einfach wie beim Zurückblättern im echten Buch, aber es funktioniert und beschert mir zudem hin und wieder einen weiteren Genuss, wenn ich auf benachbarte Passagen treffe, die rückblickend in anderem Licht erscheinen.
    Mich zu entscheiden fällt mir oft schwer. Da liegen die Bücherstapel, auf dem Handy warten die heruntergeladenen Hörbücher und auf dem Zettel stehen all die Serien, die sehenswert scheinen. Außerdem gelingt mir das Konsumieren nur jenseits der intensiven Schreibphasen, was vor allem den zeitlichen Umfang begrenzt. Während der schreibfreien Zeit jedoch lese, höre, schaue ich exzessiv.
    Jede Geschichte, ob eher visuell oder nur zuhörend, produziert in meinem Kopf noch Stunden und Tage danach neue Welten, über die ich gern nachdenke. Das Analysieren, das Auseinandernehmen und Sezieren, aufs Handwerk konzentrieren, ist vielleicht einfach nur mein Weg, diese Geschichten zu verarbeiten. Um ganz nebenbei etwas für mein eigenes Schreiben zu lernen.

  • Literatur als Nahrung
    11. Juli 2024

    Es gibt Phasen, in denen ich wenig lese und auch selten zu Hörbüchern greife. Meistens stecke ich dann in einem eigenen Projekt und möchte mich nicht ablenken lassen. Gerade ausgefeilte Texte mit prägendem Rhythmus könnten mich dazu verleiten, es ähnlich zu versuchen – ganz unbewusst und nicht annähernd so gut. Deshalb konzentriere ich mich beim Schreiben lieber aufs Schreiben.
    Dazwischen liegen die Zeiten der Notizen, Skizzen, Fragmente, des Organisierens und eben der Bücher anderer Autorinnen.

    Es ist Sommer und ich möchte mich erholen können, dafür sind Hörbücher bestens geeignet und ich finde sogar Spannendes, das handwerklich gut gemacht ist. Bleibe beim gewählten Autor vom Lübbe-Verlag, lausche und denke darüber nach, wie wichtig es ist, dass ich die Sprecherstimme mag. Die des Vorlesenden für ein Hörbuch, die des Lesenden auf der Bühne oder in einem Saal. Ich habe einige Hörbücher beiseite gelegt, weil ich mit der Tonhöhe, Aussprache, Betonung, nicht klarkam. Das unabhängig davon, ob der Text vom Verfasser oder einem Schauspieler eingelesen worden ist. Der Sommer ist sehr geeignet dafür, unterwegs zu sein: mit den Geschichten im Ohr oder von einer Veranstaltung zur nächsten. Ich möchte mich füllen mit Literatur, sie aufzunehmen, mich sättigen. Das Fremde verdauen, es kritisch hinterfragen, lernen. Für die kommende Phase, in der ich selbst schreibe.

    Die Bücher finden nun wieder zu mir, ich lese viel und dabei darf es gern anspruchsvoll sein. Im Buch kann ich zurückblättern, einen Zettel als Markierung verwenden oder mir gleich ein paar Sätze herausschreiben. Eine Freundin liest immer mehrere Bücher parallel. Das habe ich ein paar Mal versucht, es funktionierte nicht. Ich brauche zu lange, um von einer Geschichte in eine andere zu finden, muss zurückblättern, manchmal ein ganzes Kapitel von vorn beginnen. Parallel etwas zu lesen und etwas anderes zu hören, klappt dagegen. Ich vertiefe mich also sitzend in dystopische Prosa und lausche gehend fasziniert historischen Daten, die ein anderer Autor miteinander und mit den Menschen und Anekdoten jener Epoche verwoben hat und die zum Teil ebenso aktuell wie dystopisch erscheinen. Erstes zwingt mir Lesepausen auf, weil es mich ziemlich deprimiert, wie wenig Chancen für die „kleinen Leute“ überhaupt existieren (und wie schnell Glück zerrinnt, jedenfalls bei denjenigen) und wie brutal Armut sein kann, zweites sollte ich mit vielen Pausen anhören, weil es so unendlich viele Fakten darin gibt, aber ich bin gefangen in diesem Sog. Jede Tätigkeit, die mich die Kopfhörer absetzen lässt, ärgert mich.
    Das war anscheinend schon immer so. Eine Besucherin erzählte mir am Rande einer Lesung, dass sie sich gut daran erinnert, dass ich als Kind einmal aufräumen sollte – und nur das Allernötigste beiseiteschob, mich mit einem Buch aufs Bett setzte und nicht einmal aufsah, als die folgerichtige Schimpftirade begann. Ich kann mich nicht daran erinnern, weiß also auch nicht, auf welchem Planeten ich damals unterwegs gewesen bin, aber es war ganz sicher nicht das aufzuräumende Kinderzimmer. In fremden Welten zu verschwinden begeistert mich noch immer. Die in den allermeisten Fällen so fremd nicht sind: es gibt Kinder und Erwachsene, Liebe, Tod, Sehnsucht, Verzweiflung und manchmal Hoffnung. Es ist nicht wichtig für mich, ob die Pferde grün sind und ob sie fliegen können. Ich kann es: mit diesen Geschichten.

  • Alte und neue Texte

    8. Juni 2024

    Wenn mein Buch veröffentlicht worden ist, möchte ich es einem möglichst großen Publikum zeigen. So lange habe ich geschrieben, verworfen, neu formuliert, das Lektorat absolviert, immer wieder über einzelne Wörter, Zeilen, Figuren und rote Fäden nachgedacht. Das Lesen vor interessierten Zuhörern ist mein Lohn.
    Vom Verkauf können eh nur wenige leben, auch die Honorare für unbekannte Schriftsteller halten sich in Grenzen. Gäste, die sich zu meiner Buchvorstellung auf den Weg machen, die näher heranrücken und nach dem Vortrag zu mir kommen, sind deshalb immens wichtig.
    Schon Wochen zuvor suche ich nach Passagen, die zur jeweiligen Besucherschar passen könnten, stelle die Auszüge zusammen, übe das Sprechen.

    „Greta“ ist mein dritter Roman, zuvor gab es zwei andere, die sich inhaltlich und auch sprachlich unterscheiden. Zudem Anthologien, in denen ich mit kürzeren Texten vertreten bin. Für eine Lesung aus einem anderen als dem aktuellen Buch ist der Vorbereitungsaufwand wesentlich höher. Ich staune über Formulierungen, die ich doch verfasst habe, den benutzten Rhythmus, die komponierten Handlungsstränge. Obwohl es viele Dateien gibt mit erprobten Textauszügen, sitze ich nach Jahren skeptisch davor und fürchte mich vor der falschen Entscheidung. Soll ich Natur, Beziehungen oder gleich die Liebe in den Vordergrund stellen? Vor allem die Frage, was den Gast dazu bewegen könnte, das gesamte Buch lesen zu wollen, erscheint mir unlösbar.

    Das Lesen üben fordert mehr Konzentration. Dazu kommt die Unsicherheit. An dem aktuellen Buch habe ich eben gerade noch intensiv gearbeitet, ich kenne es.
    Vor allem deshalb greife ich bei älteren Texten in den meisten Fällen auf die Kapitel zurück, die ihre Eignung fürs Publikum bewiesen haben.

    Am schlimmsten und schönsten ist es dann am Tag der Veranstaltung. Schlimm ist das Zweifeln, die Aufregung, noch stärker als bei der aktuellen Geschichte. Aber dann folgen Erleichterung und Stolz: auch nach Jahren werden meine Texte verstanden und geliebt.
    Ein Geschenk, für das es sich immer wieder lohnt, Akquise, Vorbereitung und Präsentation im wörtlichen Sinn durchzustehen.

  • Mut
    12. Mai 2024

    Lesungsakquise ist ein hartes Brot.
    Bei großen Verlagen wird so etwas von Mitarbeitern übernommen, die Autorinnen müssen sich nur die Termine merken, das Honorar wird in einer Höhe gezahlt, von der unbekannte Autorinnen nur träumen können – und ohne Diskussion.
    So jedenfalls war es einmal, inzwischen müssen auch namhafte Autorinnen, jedenfalls diejenigen außerhalb der Bestsellerlisten, um Lesungen kämpfen. Ich weiß nicht, ob wirklich weniger Menschen geistige Lektüre genießen und dafür vor die Tür gehen, ob es tatsächlich an geschwundenem Interesse liegt. Die Gespräche, die ich nach meinen Buchvorstellungen erlebe, zeugen immer von sehr viel Neugierde, Offenheit und Wertschätzung.

    Ich habe etliche Lesungen, endlich wieder, die letzten Jahre kümmerten so vor sich hin, und ich liebe es, Gästen etwas vorzutragen, ihnen meine Geschichten zu erzählen.
    Ich beherrsche das auch, jenseits einer Performance, ich freue mich vor jeder Darbietung vor allem darauf, dieses Mucksmäuschenstille zu erleben, das der schönste Lohn für mich ist. Dass davon keine Miete gezahlt werden kann, so, wie Menschen nicht auf Dauer von Luft und Liebe leben können, sollte jedem einleuchten.

    Dass für kleinere Veranstalter ebenfalls ein hoher Aufwand entsteht, wenn sie Fördermittel einwerben müssen, um mich bezahlen zu können, soll nicht vergessen werden, wird von mir nie vergessen. Im Gegenteil, oft genug weise ich Vereine erst darauf hin, wo finanzielle Unterstützung beantragt werden kann. Das schließlich ist ein Fundus, aus dem sie auch für andere Vorhaben schöpfen könnten.

    Die Arbeit vor einer solchen Veranstaltung findet selten Beachtung. Die Nachfragen, per Email oder Telefon, die Absagen, das Vertrösten. Der Aufschrei, weil Kosten entstehen. Für die Autorin, für Reisekosten. Dabei sind das sehr kleine Beträge, gemessen an den Berühmtheiten, und die Vorbereitung der Präsentation ist nicht weniger anstrengend für jene, die einfach nur Bücher schreiben und froh sind, dass ein Verlag sie herausgebracht hat.

    Also suche ich wieder und wieder nach Orten, an denen ich aus meinen Romanen vorlesen kann, knüpfe Kontakte, frische ältere auf und im besten Fall entsteht ein Termin. Im besten Fall kommen Menschen, die Auszüge aus meinen Büchern hören wollen, die mich sehen, mit mir reden möchten über die Geschichte und vor allem über ihre Geschichten. Lesungen bieten immer auch Begegnungen und Austausch. Etwas, das viele Zuhörer woanders seltener finden.

    Um das zu erhalten, wünsche ich mir mehr Mut von Veranstaltern, interessierten Besuchern auch unbekanntere Autorinnen zu präsentieren, und ich wünsche mir, dass Honorarempfehlungen nicht nur auf dem Papier stehen, sondern dafür Fördermittel unbürokratisch beantragt und ausgegeben werden. Für eine vielfältige Kultur, die zwar erst nach dem (selbst harten) Brot kommt, aber dennoch unverzichtbar ist.

  • Leserunde, Fazit
    7. April 2024

    Menschen, die ich nicht kenne, lesen mein Buch. Soweit klingt das ganz normal. Das ist es schließlich, was Autorinnen sich wünschen: dass ihr Buch gelesen wird.
    In einer Leserunde ist das ein wenig anders, denn diejenigen, die lesen, wollen auch den Austausch mit derjenigen, die das verfasst hat. Die Überraschungen bleiben nicht aus. Das kannte ich bereits aus vorherigen Runden und es ist mir noch gut in Erinnerung – das dachte ich wenigstens.

    Es ist ein vollkommen anderer Roman und die Leseeindrücke unterscheiden sich sehr. Es geht nicht um Ost-West, ein Territorium, auf dem ich mich recht sicher fühle. Es geht plötzlich um die Geschichte der alten Dame und die der jungen Frau und darum, dass die Geschichte der jungen Frau den Leserinnen weniger gefällt. Eine Kritik, mit der ich klarkommen will, ich liebe meine Figur und finde sie selbstverständlich gelungen, ihre Handlungen sind für mich schlüssig. Für die Leserinnen offensichtlich nicht. Da spielt eigenes Erleben mit hinein, wer mag schon den Spiegel, der einem vorgehalten wird. Kann ich gut nachvollziehen. Irritierend bleibt es dennoch. Ebenso wie der sogenannte Gruppenzwang, der einem im realen Leben auch hin und wieder begegnet. Einer sagt etwas, andere schließen sich an. Der Gruppenzwang scheint dieses Mal nicht so ausgeprägt zu sein, die Gefühle der Anstrengung schon. „Anspruchsvoll“ – ja, so möchte ich schreiben. Das wird von jeder Leserin anders verkraftet.

    Die Leserunde ist fast beendet und wieder einmal hat sie mich sehr viel Kraft und Zeit gekostet.
    Ich freue mich darüber, dass allen Gretas Reise gefällt, sie mich am Schluss mit Sternchen belohnen. Und habe ganz nebenbei auch wieder etwas gelernt: Allen Menschen recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann.

  • LBM 2024
    20.-23. März 2024

    Ein Frühlingstag im März. Während draußen noch etliche Besucher ihre Mützen präsentierten, heizte es sich wie üblich unter den Glasdächern der Messehallen schnell auf. Die Comic-Manga-Fraktion erschien mir bereits am Donnerstag doppelt so stark wie in den vergangenen Jahren, bunt, unsicher und selbstbewusst, Farbkleckse zwischen den in Schwarz Gestylten.
    Mit einem eigenen aktuellen Buch auf der Messe zu sein, ist doch etwas anderes. Ich fühlte mich beschwingt, gesehen, obwohl es von Bestsellerautoren nur so wimmelte. Die Signierstunde am Verlagsstand war gut besucht, ich wurde sogar von Schülern interviewt und hoffe, sie haben eine gute Note dafür erhalten.
    Das „Café Wien“ ist wieder da! Und damit unser Treffpunkt, unsere Insel inmitten des Gewühls. Mit schmackhaftem Kuchen, tollem Kaffee, freundlicher Bedienung und einem Glas Sekt – man muss sich nicht gleich betrinken, um sich wohl zu fühlen und über den Sinn des Daseins nachzudenken.
    Zum Nachdenken kommt man während der Rundgänge eh nicht. Überall Programm, gegen Mittag bereits schieben sich die Menschen durch die Gänge, in denen die Frühlingsluft nicht gespürt werden kann. Erst draußen. Was für ein Aufatmen.
    Gelungene Lesungen, wunderbare Gespräche, viel zu wenig Schlaf. Das gehört dazu, den Schlaf kann man zu Hause nachholen. Die Begegnungen und Diskussionen nicht, davon werde ich noch eine Weile zehren. Ich freue mich auf 2025!