26. September 2022

Ich sitze an einem höhenverstellbaren Schreibtisch (perfekt eingestellt) mit Blick auf das Bergpanorama und schaue den Wolken zu, die sich langsam über die heute Morgen bestaunten Schneegipfel schieben. Ein Luxusappartement! Dazu mehr unter: Künstlerhäuser. Sofern ich dazu komme, dort etwas hineinzuschreiben. Die schon ausgeführte Frage stellt sich in diesen Tagen nämlich noch einmal neu.

Hier gibt es keine Familie, keine Pflichten, keinen Postboten, der ein Paket für die Nachbarin abgeben möchte. Vierundzwanzig Stunden täglich zum Schreiben. Ich habe mich danach gesehnt. Nicht danach, stundenlang am Schreibtisch zu sitzen, sei er auch noch so komfortabel, das könnte ich aus vielerlei Gründen nicht. Aber an mindestens zwei unterschiedlichen Projekten zu arbeiten, den Blog zu vervollständigen, vielleicht etwas ganz Neues zu beginnen. Aber da sind diese Berge… um das gesamte Tal herum blinzeln sie mir zu, besonnt oder schattig, bewaldet oder karg. Und da ich schon einmal vier Wochen in Südtirol wandernd zugebracht habe (aus ganz anderen Gründen, die ich hoffentlich einmal aufschreiben werde), weiß ich um das Vinschgau und die vielen Waalwege, das Stilfser Joch und die Almen.

Der Beginn war vielversprechend. Schon im Zug sitzend begann ich zu schreiben, Dank des in letzter Minute gewechselten Akkus für den Laptop, zusätzlich nutzte ich die Diktierfunktion des Handys, ich war bereit. Nach der elendig langen Anreise allerdings nur noch vollkommen geschafft. Und am nächsten Morgen zog es mich hinaus. Und am übernächsten. Und so weiter. Für einen ausgemachten Flachländer ist der Abend nach einer Wanderung zwar lang – aber der Kopf so gefüllt, das kaum noch etwas aufs Papier oder in die Tastatur gelangen kann.

Es wird Regentage geben, beruhige ich mich selbst, die Wettervorhersage ist erstaunlich präzise, ich kann am Vormittag draußen sein, bis elf Uhr vielleicht, und mich danach an den Schreibtisch setzen. Nur schiebt sich der Einsatz der Tropfen von zwölf auf eins auf zwei und so lange bin ich eben auch draußen. Wenn es dann losprasselt, brauche ich erst einmal eine Pause.

Ich habe den gesamten Sommer über fleißig geschrieben, ich habe mir eine kleine Auszeit vom Schreibtisch wahrlich verdient, flüstert das für Bewegung zuständige Hirnareal. So laut, das alles andere übertönt wird. So eindringlich, dass ich nur vom Laptop aufschauen muss und die Berge anschauen, um zu wissen, dass ich auch am kommenden Tag wieder irgendwohin laufen werde.

Schließlich kann ich nicht immer hier sein, die Berge mitnehmen funktioniert auch nicht, also nutze ich die Zeit. Ein wenig anders halt als geplant.

Mitten in der Pandemie hatte ich in einem Interview gesagt, dass mir vor allem fehlt, unterwegs sein zu können, weil ich das für das Schreiben dringend brauche. Die Landschaften, die Gerüche, die Menschen, die mir begegnen, die kurzen oder längeren Gespräche, der Alltag. Aus dem ich schöpfen möchte und muss für all die Texte, die in mir schlummern und geschrieben werden wollen.

Also gut. Wandern als Sammeln. Von Eindrücken, Begegnungen, Geschichten am Wegesrand. Und los.